Das Seifenblasen-Reset

Gestern war ich auf dem Markt, die Sonne schien herrlich. Ich setzte mich draußen in ein Café und freute mich an dem bunten Treiben. Die Menschen waren in guter Stimmung und sie hatten Zeit.
Auf dem schmalen Weg vor mir sah ich eine junge Frau mit einem etwa vierjährigen Jungen. Der Bub wollte etwas und die Mutter schüttelte mit dem Kopf. Ich verstand nichts, aber der Junge wurde lauter und Mama sagte klar und deutlich: „Nein Micha, heute nicht.“
Micha trampelte, brüllte, warf sich auf den Boden und schlug um sich, er war AUSSER-SICH.
Die Mutter stand da, sah ihn an, sagte noch etwas Beschwichtigendes, aber Micha hielt sich die Ohren zu und schrie umso lauter.
Ich stand auf, ging zu der Frau und fragte freundlich, ob ich zu ihrem Sohn Kontakt aufnehmen dürfe. Mama lächelte mich an: „Er hört nichts, wenn Sie ihn ansprechen und er wird mit den Füßen nach Ihnen treten.“
„Ich werde es versuchen, aber ich will es ohne Sprache tun. Nur wenn Sie es mir erlauben - ich will mich nicht einmischen.“
Sie nickte und ich sah ihre Neugier und ihre Erwartungshaltung.
Inzwischen blieben Menschen stehen und begleiteten das Schauspiel mit Kopfschütteln, missbilligenden Blicken auf die Mama und totalem Unverständnis. Ich sah und fühlte die Energie. Der Junge konnte sich aus diesem Chaos nicht mehr allein befreien. Seine Hilfslosigkeit und seine Einsamkeit in dieser Situation rührten mich an.
Nun ist es so, dass ich niemals aus dem Haus gehe ohne eine kleine Kosmetiktasche im Rucksack. Darin habe ich immer ein Röhrchen mir Seifenblasen, zwei bis drei kleine Tiere zum Aufziehen und Faltpapier, das waren schon oft meine Wundermittel, egal ob im Bus, in der U-Bahn oder im Restaurant.
Ich nahm die Seifenblasen, ging etwa auf zwei Meter Entfernung an Micha heran, sprach kein Wort. Dann flog eine Wolke aus Seifenblasen zu ihm, er lag auf dem Rücken und brüllte. Eine von den schillernden Blasen landete auf seiner Nase und zerplatzte. Er öffnete die Augen, war schlagartig stumm, die Augen wurden größer, er sprang auf und klatschte die bunten, zarten Gebilde lachend, noch mit Tränen auf seinen Wangen, kaputt. Er sah mich an, staunend, als ob er aus einer anderen Welt zurückkäme.
„Mehr“, rief er, „mehr!“ und sprang hoch und fing die Seifenblasen.
Ich ging zu ihm und fragte: „Möchtest du den Rest aus dem Röhrchen behalten? Dann kannst du selbst so schöne Blasen machen. Mama kann dir dabei helfen.“
Er strahlte und nickte stumm. Die Mama kam auf uns zu, lächelte mich an und fragte, ob ich mit ihr einen Kaffee oder Tee trinken möchte. Sie lud mich ein und wir plauderten noch eine halbe Stunde, während Micha mit Mamas Hilfe pustete und blies und seinen kleinen Körper wieder mit Sauerstoff versorgte. Mama sagte: „Das ist eine Phase, es geht vorbei, kostet aber Nerven, vor allem die Bemerkungen von anderen Menschen, wenn Micha so einen Anfall hat.“
„Ja“, sagte ich, „Kinder leben im Augenblick. Ich wünschte manchmal, wir Großen könnten das auch.“
Wir verabschiedeten uns, Micha winkte mir und rief ganz laut: „DANKE, tschüss!“
Die Mutter strahlte, der Junge war glücklich und ich war’s auch.
Kommentare (3)
Liebe Malina,
welch eine "Rettung", der ganzen Szene....man konnte die wachsende Freude
richtig lesen...und eigene Freude wuchs ebenfalls...
Die Seifenblasen haben durch Deine wunderbare Idee bestimmt nicht nur diese drei Menschen glücklich gemacht?....
zB: mich auch...
mit Dank, freude und Gruß von ladybird.
@ladybird Das freut mich sehr. Es war auch für mich ein wunderbares Erlebnis und zeigt, dass wir nicht bewerten sollten, sondern kreativ und mit dem Herzen handeln. Wenn es auch Umstehende berührt hat würde mich das besonders freuen, denn ich hatte nur Augen für das Kind.
Liebe Malina,
So wie ich dich damals in Berlin kennengelernt habe - warmherzig, hilfsbereit und mit einem. Gespür für die kleinen Dinge im Leben - kann ich mir lebhaft vorstellen, dass du dem kleinen Schreihals mit einem offenen Herzen und einem Laecheln begegnet bist.
Ich mag Seifenblasen übrigens auch, sie verzaubern Kinder wie Erwachsene gleichermaßen.. 😊
Erinnerst du dich? Vor vielen Jahren haben wir uns auf einer FA-Veranstaltung in Berlin getroffen. Es war eine besondere Veranstaltung, die mir im Gedächtnis geblieben ist - wie du auch.
Herzliche Grüße aus Bielefeld
Christel