Der Spiegel 3.4.1988

Der Spiegel 3.4.1988
Eines Morgens wachten Inge und Anne auf.Es war ein schöner Morgen und die Sonne schien herein ins Zimmer.Inge rieb sich die Augen und setzte sich kerzengerade im Bett auf.“Du,Anne,heute ist Sonntag,da können wir den ganzen Tag spielen!“Anne freute sich und sprang aus dem Bett.“Erst machen wir uns fertig!“,sagte sie.Sogleich rannten beide ins Badezimmer,außer Atem kamen sie dort an.Es war ein großes Badezimmer,es gab eine Badewanne,eine Dusche,einen Schrank,2 Waschbecken und einen großen Spiegel.Beide wollten sich gemeinsam duschen.Das gab einen Heidenspaß.Sonntags konnten die Kinder nämlich machen,was sie wollten,das hatten die Eltern so bestimmt.Die Eltern fuhren fast jeden Sonntag auf`s Land in ihr Landhaus,so waren die Kinder ganz allein.
Manche Sonntage waren die beiden Mädchen traurig.Sie hatten niemanden zu spielen,denn jemanden einladen oder besuchen durften sie nicht.Nur heute war das etwas anderes.Nach dem Waschen wollten sie in ihren großen Garten,ein Picknick in ihrem Baumhaus veranstalten.Darum beeilten sie sich mit duschen und gaben sich noch den letzten Schliff vor dem Spiegel.Doch irgendwas stimmte nicht.Inge fiel es zuerst auf:“Anne,schau doch mal,sonst sieht man doch immer das ganze Badezimmer in dem Spiegel,aber heute…!““Du hast recht,der Spiegel ist wie ein Fenster,durch das man in ein anderes Zimmer sehen kann.Sieh,doch nur,es ist ein Kinderzimmer von früher.Ich sehe alte,schwere,dunkle Möbel und ein großes Himmelbett.Meinst du,da wohnen auch Kinder…?“
„Oh!“,sagten sie da beide wie aus einem Munde.Vor ihnen,in dem alten Zimmer,standen 2 fremde Mädchen in ihrem Alter.Sie hatten beide welliges,dunkles Haar und braune Haut und sie sahen sehr gepflegt aus.Ihre Kleider waren mit Rüschen besetzt und aus einem kostbaren Stoff.Inge fragte sie:“Wer seid ihr denn?“Die ältere der beiden antwortete:“Ich heiße Ingerose und meine jüngere Schwester Annebell.Und,wer seid ihr?“Anne sagte:“Ich bin Anne und das ist Inge.Komisch,ihr habt beide ähnliche Namen wie wir!Aber,wo wohnt ihr?Woher kommt ihr denn?“Ingerose erklärte:“Wir wohnen in dem gleichen Haus wie ihr.Euer Haus,in dem ihr jetzt wohnt,war früher unser Haus,in dem wir jetzt wohnen.Ihr habt Glück,dass ihr uns entdeckt habt.Das können nämlich nur Kinder,die Freiheit haben und ihrer Fantasie freien Lauf lassen können.“Inge meinte darauf:“Oh,das ist aber toll.Unsere Eltern sind nämlich weg,wie jeden Sonntag.Meint ihr nicht,dass wir gute Freundinnen werden können und dann jeden Sonntag zusammen spielen können?““Ja,das wollten wir euch auch gerade vorschlagen“,sagte Annebell,“denn wenn wir nun mal hier sind,zeigen wir euch unser Haus.Nur keine Angst,ihr müsst nur durch den Spiegel steigen,er geht schon nicht kaputt.
“Gesagt,getan!Im Nu stehen Inge und Anne in dem altmodischen Zimmer.Sie schauten sich vorsichtig um und stellten viele Fragen,die Annebell und Ingerose eifrig beantworteten.Nach und nach stellte sich heraus,dass deren Eltern bei Freunden eingeladen waren und,dass sie genauso viel Zeit,wie Inge und Anne hatten.Sie führten sie durch das ganze Haus.Da gab es außer dem Kinderzimmer,einen Salon,ein Kaminzimmer,eine riesengroße Küche,ein Schlafzimmer,ein Arbeitszimmer,ein Nähzimmer,um nur die wichtigsten zu nennen.Inge und Anne fühlten sich dort wohl und manche Sachen kamen ihnen sehr bekannt vor.Aber am liebsten waren sie in der Küche.Minna,die Köchin,hatte sie sofort begrüßt mit:“Na,das sind wohl Inge und Anne,schön,dass ihr da seid,wir haben euch schon erwartet.“Das wunderte sie zwar,aber,wie in einem Traum fühlten sie sich trotzdem nicht.Zuerst frühstückten sie alle zusammen und dann ging es raus in den Garten.Es war ein schöner,großer Garten mit Gartenlaube,vielen Kräuter,- und Blumenbeeten.Es gefiel ihnen dort sehr gut.Doch das schönste war der Pferdestall.Frieder,der Stallknecht begrüßte sie und führte sie zu den Pferden.Auch hier wurden sie schon sehnlichst erwartet.Frieder fragte sie:“Na,Inge und Anne,wie gefällt es euch denn hier?Habt ihr schon mal auf Pferden gesessen?“Beide sagten,ihnen gefalle es hier sehr gut,aber auf einem Pferd seien sie noch nie gesessen.Frieder zwinkerte vergnügt mit den Augen:“Wollt ihr es mal versuchen?Hier nehmt Phönix und Nikolaus!“Er hob Inge auf Phönix und Anne auf Nikolaus.Sogleich ritten beide los und,oh Wunder,sie können sofort reiten,in allen 3 Gangarten.Sie waren so übermütig,dass Frieder die beiden sogar ein wenig ermahnen muss,aber schließlich haben sich Pferd und Reiter wieder beruhigt und den beiden kam es vor,als wären sie jeden Tag schon auf den Pferden geritten.Die Überraschung ist groß,als Frieder auf einmal fragte:“Na,wollt ihr die Pferde behalten?Wenn ihr mal wieder kommt,dürft ihr wieder auf ihnen reiten,aber mitnehmen dürft ihr sie nicht.“Inge und Anne sind so froh und wären Frieder am liebsten um den Hals gefallen,aber Frieder winkt ab:“Das habt ihr euren beiden Freundinnen Ingerose und Annebell zu verdanken.“Sofort bedanken sich beide überschwänglich bei ihnen und alle gehen ins Haus zurück.Dort gibt es Mittagessen.Pfannkuchen mit Heidelbeermarmelade.Danach müssen alle 4 Mädchen einen Mittagsschlaf halten.Aber da wird nicht viel daraus.4 große Mädchen in einem großen Himmelbett.Aber Spaß haben die 4 trotzdem.Als Minna sie wecken kommen will,stehen alle 4 schon angezogen da.Minna schimpft ein bißchen vor sich hin,geht aber gleich wieder.Bestimmt ist sie froh,dass sie die 4 nicht selber anziehen braucht.Als sie weg ist,lachen alle 4 Mädchen gleich los,aber das Lachen vergeht ihnen sofort wieder,als Ingerose zum Fenster rausschaut und ruft:“Schade,draußen hat es angefangen zu regnen.“Alle sind sehr traurig,doch da fällt Annebell etwas ein:“Wir können doch ein Brettspiel machen!“Das finden alle eine gute Idee und sie spielen zusammen<
Alle verabschieden sich voneinander und Ingerose führt die beiden zum Spiegel.Sie steigen hindurch.Als sie im Badezimmer stehen und zurückschauen,um nochmal zu winken,ist alles verschwunden,aber Inge und Anne wissen ja,dass dahinter ein ganzes Haus voller Überraschungen liegt.Sie können es kaum abwarten bis nächsten Sonntag.
Es ist schon dunkel geworden.Beide gehen in ihr Kinderzimmer,legen sich auf`s Bett,warten auf die Eltern und unterhalten sich über den ganzen Tag.Auch über die Pferde,die sie bekommen haben.Inge ist der Meinung,dass sie den beiden nächsten Sonntag auch etwas schenken sollten.
Plötzlich hören sie,wie sich der Schlüssel im Schloss dreht.Mutter und Vater kommen herein.Beide Kinder rennen in die Diele.Mutter fragt gleich,was sie den ganzen Tag gespielt haben.Aber sie erhält nur eine ausweichende Antwort:“Öh,das Übliche!“Aber die Eltern sind zufrieden.Sie essen gemeinsam Abendbrot.Dann sagt Mutter:“So,Kinder,ich glaube,ihr geht heute früh ins Bett.Ihr hattet einen anstrengenden Tag und seht müde aus.“Anne hätte fast gesagt:“Aber Mami,wir hatten doch schon einen Mittagsschlaf mit...“Aber Inge gibt ihrer kleinen Schwester einen Tritt ins Schienbein.
Schließlich liegen beide in ihren Betten und träumen von dem ganzen wunderbaren Tag,den nur phantasievolle Kinder erleben können.
(Heidi Grünwedl)
Kommentare (3)
Das ist es, was wir Erwachsenen nicht mehr haben. Die Träume oder Phantasien ausleben zu können. Eine schöne Geschichte.
@Marlen13 @Eberhardt54
danke für eure Herzen zu meinem Blogartikel.
LG Heidi