Die Nachbarin geht zur Arbeit


Die Nachbarin geht zur Arbeit



Zwanzig nach acht Uhr früh. Ich faulenze angenehm zwischen meinem ersten und zweiten Frühstück. Wenn gerade nicht weit von meiner Wohnungstür entfernt, kann ich hören, wie meine Nachbarin ihre Tür aufmacht, dann von außen verschließt, und geht weg. Ihre Schritte sind schnell und laut – wäre sie etwa eine Chefin oder Lehrerin (ich war zwar nie so laut gelaufen), oder möchte sie etwas nur vortäuschen?

Ich kenne sie nur vom Sehen. Etwa 40 Jahre alt, beruflich also noch lange und viel zu tun. Beneidenswert? Einerseits war es schön, für mich auf jeden Fall, denn ich hatte alle drei Berufe, die ich mal ausgeübt hatte, mehr oder weniger gern. Das frühe Aufstehen hasste ich, der Weg war dann meistens angenehm. Die acht Stunden im Büro waren mir zu viel; gegen 13.00 hatte ich immer eine Krise, und dann nur noch schlimmer. :) In der Bibliothek wurde ich nicht mehr müde, und das waren immer sechs Stunden nur.

Da konnte man aber immer wieder mit etwas beschäftigt sein, das doch Spaß machte. Ab und zu paar Worte mit Leuten; meistens dienstlich nur, trotzdem eine nette Ablenkung. Wenn „im Dienst“ eben, ist man einfach ein anderer Mensch: andere Kleidung, andere Art, wie man sich äußert, alles anders. Das tut gut. Dann konnte man, wenn wieder zu Hause, gerne wieder eine Privatperson werden. Diese Abwechslung immer wieder konnte eine echte Bereicherung des Lebens gewesen sein.

Meine Nachbarin werde ich dann wieder zwischen drei und vier Uhr Nachmittag hören können. Ich habe mittlerweile vieles getan, gekocht und gegessen, gelesen. Ich war schon in der Stadt, einkaufen oder einfach so, spazieren. Und manches noch vor, alles ohne Zwang und ohne Eile. Meine Nachbarin und ich, wir können beide zufrieden sein. Ich kann mich mit Vergnügen daran erinnern, was jetzt ihr Leben ist. Sie kann ihre Aktivitäten genießen. So ist das.





(Titelbild aus dem Internet)

 

Kommentare (7)

Lenova46

An: Christine62laechel

Hallo, deine Geschichte habe ich gern gelesen. Sie ist einfühlsam.
Auch meine Gedanken schweifen immer mal wieder über andere Menschen. 
Ohne diese näher zu kennen, weiß man doch mit der Zeit genau Bescheid. 

Zu deinen Betrachtungen, ob es sich um eine Lehrerin handelt und dass du selbst eine bist?
Bitte, lasse es mich einfach erwähnen. Mit meiner kürzlichen Geschichte "Im Kaffeehaus" habe ich mir durch die Administratorin Margit erheblichen Ärger eingebrockt. Also ich habe mich geärgert und ärgere mich noch immer.
Nicht, dass ich Kritik verabscheue. Im Gegenteil. Geschichtenschreiber wie ich brauchen Anregungen von außen, Anteilnahme, Austausch. Wenn aber wie in meinem Falle das von einer anderen willkürlich ausgelegt wird, halte ich das nicht für richtig. 
Es gibt eben Äußerlichkeiten und Benehmen die dazu verleiten, auf einen bestimmten Beruf zu schließen.

Freundliche Grüße
Lenova

Lenova46

An @Christine62laechel

@Lenova46  

Christine, herzlichen Dank für deine Antwort.

Es ist nämlich gar nicht gut, ohne Antwort, ohne Erklärung zu bleiben. 
Ich will und kann das jetzt nicht ausweiten. Ich habe quasi als letzten Akt noch ausführlich in einer PN meinen Standpunkt erläutert. 

Beste Grüße
Lenova

Christine62laechel

@Lenova46  

Liebe Lenova, deine Geschichte "Im Kaffeehaus" habe ich natürlich gelesen; ich lese hier einfach alles. Zu deinem kurzen Streit mit Margit möchte ich mich nicht äußern; das ist eine Sache nur zwischen euch beiden.
Ich war mal Schülerin, dann selber Lehrerin, kann also auch vieles zu dem Beruf sagen, von aussen und von innen, sozusagen. Ja, da kann man schon eine eigene Meinung behalten. :)

Mit Grüßen
Christine

 

Alpler

Gut wissen wir nicht alles😊

Christine62laechel

@Alpler  

Man ist es auch gar nicht neugierig; unser Erörtern mit Rosi ist rein scherzhaft. :) Das Hauptmotiv sind hier natürlich zwei verschiedene Lebensetappen.

Rosi65

Liebe Christine,

bei einen Teilzeitjob, so wie ich es bei bei Deiner Nachbarin vermute, hat man sicher einen guten Mix aus Freizeit- und Arbeitsstunden. Wer empfände das nicht auch als sehr angenehm.

Nachteile:
Allerdings kann es sich eine Normal- und Einzelverdienerin finanziell gar nicht leisten, weil dann zu wenig in die Rentenkasse eingezahlt wird. Auch bei plötzlicher (unverschuldeter) Arbeitslosigkeit wird die Arbeitslosenversicherung dann so knapp ausfallen, dass es kaum zum Leben reichen wird.
Entschließt man sich bei der Stundenreduzierung  vielleicht noch für eine 4-Tage-Woche, dann wird der Urlaubsanspruch gekürzt. Das ist natürlich ein zusätzlicher Nachteil.

Ja, da muss man dann vielleicht mal im Internet oder in der Tageszeitung nett inserieren:
„Suche jetzt, zwecks Halbtagsjob einen reichen Mann fürs Leben!“😅

Viele Grüße
   Rosi65

Christine62laechel

@Rosi65  


Oh nein, liebe Rosi, was für eine Idee. 😂 Ich habe nachgedacht, und glaube, meine Nachbarin wäre doch wirklich eine Lehrerin (schade eigentlich, dass ich nicht einfach an ihre Tür klopfen kann, und fragen: hallo, was sind Sie von Beruf, denn ich tratsche gerade über Sie in meinem Blogeintrag?). Sie ging vor einigen Wochen noch rund eine Stunde früher aus dem Haus, und war auch eine Stunde früher zurück; das hätte zu bedeuten, dass sich ihr Stundenplan im zweiten Semester geändert hat. Und wenn sie ca. 7 Unterrichtsstunden jeden Tag hat, muss es ihr nicht schlecht gehen: 1,5 von dem Pensum oder mehr. Jetzt verdienen auch hier die Lehrerinnen und Lehrer nicht schlecht; selbst so eine pensionierte Lehrerin wie ich kann nicht klagen. Und dazu auch noch diese Freiheit. :)

Mit herzlichen Grüßen
Christine