STILL RUHT DER SEE


STILL RUHT DER SEE
STILL RUHT DER SEE

Erster Einsatz vom DLRG am Ostersamstag!“
stand in Fettdruckbuchstaben auf der Lokalseite der Zeitung, die ich gerade las.
„Zwei Segler waren zum Saisonauftakt auf dem Kemnader See mit ihrem Boot gekentert...“, lautete die Einleitung des Artikels.
Direkt darunter war ein großes Farbfoto von diesem beliebten Ausflugsziel mit einem imposanten Motorboot des Rettungsvereins abgebildet.

Und obwohl dieser Vorfall schon viele Jahre zurückliegt, kann ich mich bis heute noch gut an den Schrecken erinnern, der mich damals beim Lesen durchfuhr.
Leider ahnte ich sofort um wen es dabei ging.

Mein Mann war nämlich kurz vorher, zusammen mit seinem Arbeitskollegen Frank, am niederländischen Ijsselmeer in Urk gewesen, um dort die praktische Prüfung für den Sportbootführerschein abzulegen. Frank hatte allerdings Pech gehabt, denn er fiel durch die Prüfung.

Als ich diese unglaubliche Neuigkeit bestimmt zum fünften Mal durchlas, betrat mein ahnungsloser Gatte fröhlich pfeifend das Zimmer. Sofort hielt ich ihm demonstrativ die geöffnete Zeitungsseite entgegen. Seine gute Laune war sofort weg, denn ich hatte
mit meiner Vermutung tatsächlich richtig gelegen.

Dabei wollte er dem Frank doch nur etwas Nachhilfe beim Segelunterricht geben.
Auch die weitere Reaktion fiel darauf ziemlich heftig aus. Zum Schluss drohte er sogar, mit dem wahrscheinlich dümmsten Menschen den er kannte, jemals wieder ein Wort zu wechseln, denn dieser (er meinte Frank) hatte angeblich das Kentern des Bootes verursacht.

Doch noch viel schlimmer als das kalte Wasserbad war für ihn wohl die fürchterliche Blamage, als frischgebackener und stolzer Skipper ausgerechnet bei Kaiserwetter und schwacher Brise auf einem stillen Binnensee zu kentern.
Und dann noch die vielen Gaffer oben auf der Galerie!“ ereiferte er sich laut.
Zugegeben, es viel mir wirklich sehr schwer bei dieser emotionalen Schilderung ernst zu bleiben.

Mit den Gaffern waren natürlich die vielen Ausflügler gemeint, die gerne direkt über dem kleinen Segelhafen auf einer Aussichtsplattform verweilten.
Dort gab es viele Sitzgelegenheiten und auch ein Büdchen mit Getränken und warmen Snacks, falls sich ein Spaziergänger erfrischen wollte. Auch der weite Panoramablick auf den See war von dort aus sehr lohnenswert.
Das dort aber ohne ersichtlichen Grund plötzlich ein Segelboot einfach so umkippte, war für die Schaulustigen bestimmt mal etwas Neues.

Doch spätestens beim lauten Eintreffen des schnittigen Rettungsbootes dachten bestimmt viele Zuschauer an einen spannenden Filmdreh. Wurde hier vielleicht gerade ein neuer Krimi für den Tatort gedreht? Einen „Tatort Bochum“ gab es ja bis jetzt noch nicht.

Ach, ich konnte mir bildlich alles ziemlich gut vorstellen. Auch, wie die Zuschauer alle hurtig von ihren Sitzen aufsprangen, ihre Kinder nach vorne in die erste Reihe schoben, und dann ganz gebannt auf das Geschehen starrten. Bestimmt gab es eine große Drängelei, denn schließlich wollte ja jeder wenigsten mal einen Blick auf die beiden nassen Hauptdarsteller werfen.

„Zum Glück habt ihr euch dabei nicht verletzt. Und das ist doch die Hauptsache, oder nicht?“ versuchte ich etwas beruhigend auf diese Situation einzuwirken. „Außerdem standen eure Autos doch sicher gleich nebenan auf dem Parkplatz. Damit konntet ihr euch dann wenigstens schnell wieder auf dem Heimweg machen.“

„Nein, eben nicht! Wir waren doch mit unseren Fahrrädern dort“, bekam ich zur Antwort.
Allein die Vorstellung, wie beide Männer danach in ihren klatschnassen Sachen quer durch die verkehrsreichen Bochumer Straßen radelten, war schon unglaublich. Dabei unterwegs noch von allen Verkehrsteilnehmern verwundert angestarrt zu werden, muss ihnen ja wie ein Spießrutenlauf vorgekommen sein. Und obwohl ich bestimmt nicht schadenfroh war, so fand ich dieses gesamte Segelerlebnis doch recht amüsant.

Gegen Abend rief Frank plötzlich bei uns an. Nun erklärte er mir total aufgebracht seine ganz persönliche Sichtweise dieses Vorfalls. Aufgeregt wurde er immer lauter, und bölkte zum Schluss seinen angestauten Frust einfach in den Hörer.
Natürlich wollte auch er nie wieder etwas mit seinem Kollegen zu tun haben, denn dieser war, seiner Ansicht nach, ein ganz undankbarer Mensch. Schließlich wollte Frank ja nur den verlorenen Turnschuh meines Mannes vor dem Ertrinken retten, als dieser plötzlich ins Wasser fiel. Deshalb beugte er sich ganz weit über die Bordseite, riskierte bei diesem Versuch fast sein Leben, nur um todesmutig nach dem Schuh zu greifen.

Doch das Boot war mit dieser Aktion gar nicht einverstanden. Es bekam nämlich durch das Übergewicht Schlagseite und kenterte. Der Schuh ertrank und seine Überreste liegen wahrscheinlich noch bis heute auf dem Grund des schönen Stausees.

Irgendwann haben die beiden Leichtmatrosen ihre lädierte Freundschaft aber wieder erneuert, doch einen gemeinsamen Segeltörn haben sie nie wieder unternommen.
Endlich hatte der See wieder seine Ruhe...😊

Rosi65

Titelbild:Pixabay.de




 

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Kommentare (5)

Rosi65


Das Leben schreibt tatsächlich immer noch die besten Geschichten, auch wenn man die eine oder andere davon vielleicht eher bei einer bekannten Puppentrickserie vermuten könnte.😊

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Danke und Ahoi den Lesern für ihre Kommentar- und lieben Herzchen-Sendungen.

Viele Grüße
  Rosi65



 

Christine62laechel


Liebe Rosi, da hätte der Freund von Deinem Mann die Beiden beinahe zu Darwin-Awards-Preisträgern machen können. Jetzt kann man gut darüber lachen, da konnte aber ein "dummer" Turnschuh wirklich etwas ganz Schlimmes verursacht haben. Es gibt sogar ein Buch, wo diese gepriesenen Fälle beschrieben werden; ich konnte nur über einige lesen, mehr wollte ich nicht wissen. :) Zu spontan sein, das lohnt sich nicht immer.

Du hattest gute Gründe, einfach lachen zu wollen, denn die Umstände waren echt komisch. Da muss man aber ganz vorsichtig sein, wenn die Männer die "Helden" von so einer Geschichte auftreten. Wie gerne sie auch die Frauen oft mehr oder weniger taktvoll auslachen, so hassen sie es, wenn sie sich von Frauen verspottet fühlen. Obwohl ohne Grund, denn wir lachen da die Situation aus, und nicht die Freunde, Ehemänner, oder wen auch immer. Das Ego von den Männern sei aber wirklich empfindlich.

Hauptsache aber, dass die Geschichte mit einem Happyend endete. Mit Recht sagt man ja: Ende gut, alles gut.

Mit herzlichen Grüßen
Christine

Rosi65

Liebe Christine,

manche Verhaltensweisen sind wirklich schwer nachvollziehbar.
Das war für mich natürlich eine ganz besondere Überraschung, als ich davon erst aus der Zeitung erfuhr, denn ich habe an dem besagten Oster-Samstag noch gearbeitet und deshalb gar nichts von dieser Exkursion mitbekommen.
Mein Mann hatte mir nämlich nichts von diesem Abenteuer erzählt. Auch seinen nassen Sachen muss er wohl danach heimlich in der Maschine gewaschen haben.😇
Was er wohl mit seinem zweiten Turnschuh gemacht hat?

Danke Dir für Deinen Kommentar.

Viele Grüße
   Rosi65

 

Alpler

Ja solche Sachen sind immer wieder mit viel Humor zu betrachten.  Segeln ist halt schon ein Kunst. 😊

Rosi65

Danke, lieber Alpler,

es war mir auch ein Rätsel wie man dabei nur seinen Turnschuh verlieren konnte.
Doch ich habe dann lieber gar nicht erst nachgefragt.😏

Viele Grüße
  Rosi65



 


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