Eistorte Am Verkaufstresen der
Konditorei, in der vornehmsten Gegend der Stadt, hatte sich eine lange Schlange
gebildet. Elegant gekleidete Damen warteten neben feinen, mit dezenten
Anzügen bekleideten Herren darauf, von der Bedienung nach den
Wünschen gefragt zu werden. Nervös tänzelten die Frauen nach
links und dann wieder nach rechts und schauten sich die Auslagen mit den Kuchen
an. Gleichzeitig warfen sie strenge Blicke in die hintere Reihe, daß ja
nicht eine der dort Wartenden auf die Idee käme, vorzudrängeln. Eine
alte Frau fiel auf. Sie trug einen
schlichten, grauen Wollrock, der ungebügelt und geflickt, lustlos an ihrem
Körper hing. Der Pullover, den sie trug machte nicht den Eindruck, als
daß ihm Nadel und Faden noch einmal zu neuem, heilem Glanz verhelfen
könnten. Die Haare hingen der Frau fettig und strähnig bis auf die
Schulter. Sie
wartete geduldig, bescheiden, mit gesenktem Kopf, in der Schlange und nahm an
dem nervösen Hin- und hergewoge nicht teil. Ab und zu, wenn es ein paar
Zentimeter weiter ging, warf sie einen Blick auf die Auslagen und verglich die
Preise mit dem Inhalt ihrer Faust, in der sich vermutlich ihr Geld befand. Sie
hörte freundlich lächelnd zu, wenn die Damen vor ihr, ihre
Bestellungen aufgaben. „Ein Stück davon und zwei Stück
hiervon.“ sagten sie und zeigten mit dem Finger auf die schönsten
Kuchenstücke und Kekse, die mit Schokolade überzogen, jeden Gaumen
geschmeichelt hätten. „Sehr wohl die Dame, aber gern der
Herr.“ dienerten die Bedienungen und beeilten sich, die Wünsche der
Kundschaft auszuführen. „Was
ist denn, wollen sie nichts bestellen?!“ wurde die geduldig wartende,
alte Frau forsch gefragt, als sie gerade mit der Hand über die Augen fuhr
und ein paar müde Falten glättete. „Oh
doch,“ antwortete die alte Frau leise und schaute die Bedienung an,
„meine Tochter kommt heute nach langer Zeit zu Besuch und da möchte
ich es ihr schön machen und ihr ein Stück Torte spendieren.“
Die alte Frau geriet ins träumen. Ein glücklicher Ausdruck erschien
in ihren Augen und die Mundwinkel gingen zu einem Lächeln nach oben.
„Ich möchte bitte zwei Stückchen Torte haben.“ bat sie
und schaute die Bedienung an. „Und wenn sie haben, bitte mit Nuß und Marzipan.“ Spöttisch
erheitert lachte die Bedienung auf. „Glauben sie wirklich, daß wir
an einem solchen Tag wie heute noch Torte haben? Nein, da suchen sie sich mal
was anderes aus.“ Ungeduldig blickte sie die alte Frau an und zog die Augenbrauen
hoch. Die Augen folgten. Zischend sog sie die Luft durch die Zähne und
pustete sie schnaubend durch die Nase wieder heraus. „Ach
ja,“ bemerkte die Bedienung, sich herablassend erinnernd, „wir
haben noch Eistorte. Wenn sie die wollen?“ „Ja,“
sagte die alte Frau und nickte bestätigend mit dem Kopf, „die nehme
ich.“ Und sie legte ihre Faust auf den Tresen, wo sie sie mit einem
ängstlich, fragenden Blick öffnete und eine Menge Kleingeld freigab.
„Bitte zählen sie nach, ob es für die Eistorte reicht.“ Es
reichte. Sie bekam sogar einen Groschen zurück. Glücklich nahm sie
ihr kleines Kuchenpaket und sagte im Weggehen zur Verkäuferin: „Und
daß die Torte noch gefroren ist, ist halb so schlimm, denn bis ich zu
Hause bin, ist sie sicherlich aufgetaut.“ Die
Bedienung antwortete ungeduldig: „Ja, ja.“ Und wandte sich der
nächsten Dame zu. |