Gefangenschaft in
Rußland. Meine Mutter, die Geschwister und ein Mädchen,
welches ich lieb gewonnen hatte, begleiteten mich zur Bahn. Alle hofften wir
auf einen Sieg und endlich Frieden. Aber es kam anders. Der Krieg tobte hin und her, es gab Siege und
Niederlagen Nach einer kurzen Ausbildung in Brun, wurde ich mit
vielen Kameraden, an die Russische Front geschickt. Es war ein schweres Ringen.
Dazu kam die Russische Kälte im Winter. Durch Steppen und Sümpfe mußten
wir maschieren, tagelang kein Wasser, oft war nur stinkender Morast in der
Nähe. Das Gewehr schoben wir quer vor uns her, es war unsere einzige
Stütze , um nicht im Sumpf zu versinken. An ein Wiedersehen in der Heimat dachte zur Zeit
niemand mehr. Besonders hoch her ging es um die Festung
Pryémirl. Wir waren plötzlich umringt vom Feind, eingeschlossen,
umzingelt. Die Folge war, Gefangenschaft. Mit vielen Kameraden wurde ich weit in das innere
Rußlands transportiert. Hier verteilte uns der Ruße auf Bauernhöfe.
Mir wurde die Arbeit als Ofensetzer zugeteilt, da ich das Maurerhandwerk
beherrschte. Das Glück hatte mich nicht verlassen. Ich wurde
einem guten Bauernhof zugewiesen. Sofort bei der Ankunft durfte ich mich stärken,
mit Speck und russischem Brot. Am nächsten Morgen begann meine Arbeit auf dem
Hof. Zunächst begann ich den alten Ofen abzutragen, mußte mir aber
gleichzeitig genau merken, wie dieser gebaut war, damit er nach meiner Arbeit
auch wieder so zum stehen kam. Nie zuvor hatte ich einen so großen Ofen
gebaut. Ein viertel der Stube machte der Ofen aus. Es war ein viereckiger Stock
aus gebrannten Ziegeln. Im inneren ein Gewölbe. Man konnte einen halben
Meter Holz auf einmal hinein schieben, aber es wurden nur ein Meter Scheiter
hergerichtet. Auf dem Ofen kam eine Steharche. Dies war der
Aufenthaltsplatz für Kinder. Er diente aber auch den Leuten, welche
rasteten oder gerade schlafen wollten. Um den Ofen zimmerte ich eine breite Bank. Im
hinteren Eck war ein Platzerl, wenn ich Feierabend hatte. Dort saß ich dann, tief in den Gedanken
versunken, das Heimweh im Herzen brennend. Keine Nachricht kam von zu Hause, nicht einmal
Kameraden waren da, mit denen ich ein deutsches Wort hätte tauschen
können. Ich war ganz der Willkür der Feinde unseres Vaterlandes
ausgeliefert. Sie waren mit meinem Ofenbau, zu meiner Freude, sehr
zufrieden. Im weiten Umkreis mußte ich nun Öfen erneuern. Auch
Backöfen mußte ich bauen und ich muß sagen, das Brot war gut.
Hungern mußte ich nicht, aber die Abgeschlossenheit von der Welt rieb
mich doch auf. Es wurde Winter und meine Öfenbauern
versammelten sich in der großen Stube. An diesem Abend besprachen sie
eine Reise ins Holz. Gleich am nächsten Morgen fuhren etliche
vierspännige Schlittengespanne in unseren Hof. Auch ich wurde eingeladen
mit zufahren. Mein Brotherr ließ einspannen. Alle Männer trugen
Waffen, auch mir wurde ein Revolver in die Hand gedrückt. Auf Kommando des
ersten Schlittenfahrers setzte sich der Schlittenzug in Bewegung. Hinaus ging
es in die unendliche Weiten, der Schnee war tief und pulverig, der Steppenwind
pfiff uns um die Ohren. Wie gut war jetzt der Russische Pelzmantel. Nach etwa 2 Stunden fahrt, erreichten wir den Wald.
Eine weitere Stunde verging bis wir am Ziel ankamen. Man teilte sich in zwei
Gruppen, die meisten nahmen sich eine Säge und Axt und fällten
für jeden Schlitten einen Baum, während die anderen Pferde und
Arbeiter bewachten. Man sprach von hungrigen Wölfen. Zum Glück gab es
diesmal keinen Zwischenfall während der Arbeit. Die Bäume waren aufgeladen und der Heimweg
konnte beginnen. Als sich der Wald lichtete, tauchte in der Ferne
hier und da ein dunkler Punkt auf. Die Männer entsicherten ihre Waffen.
Auch ich richtete mich kampfbereit. Immer mehr dunkle Punkte tauchten auf und vereinten
sich zu einem Rudel. Man vernahm schon das Geheul der Wölfe. Die Pferde
wieherten und gingen im Galopp. Da viel auch schon der erste Schuß. Eine
Bestie überschlug sich und die anderen Wölfe stürzten
darüber her. Es bewegte sich ein Knäuel raufender, fressender Wölfe.
Ein schauriges Spiel bot sich meinen Augen.
Abwechselnd viel ein Schuß in das Wolfsrudel, so daß die wilden
Tiere immerwieder mit sich selbst beschäftigt waren. Trotzdem kamen sie
näher, sie gaben nicht auf. Es begann eine Schießerei, wie im Krieg.
Wir hatten jede Menge zu tun, die Wölfe halbwegs fern zu halten. Der Kampf
tobte über die ganze Ebene. Die Pferde flogen, die Angst im Nacken, nur so
dahin. Wie dankte ich Gott, als die Gehöfte in Sicht
kamen. Es dauerte nicht lange, da kamen die Hunde aus dem
Dorf. Es waren fast so viele wie Wölfe. Alle bellten und stürzten
sich der Meute entgegen. Geschwächt in ihrer Kraft und gesättigt
von ihren eigenen Genossen ergriffen die Wölfe die Flucht und verschwanden
in der Wildnis, wo sie herkamen. Daheim wurde das Holz zerkleinert und bei Wodka,
Tschei und Speck, bis in den Morgen gefeiert. So vergingen acht russische Winter und Sommer, bis
es dann eines Tages hieß:
Der Zar sei gestürzt. Schon lange tobe der Bürgerkrieg und
eine Teilung in eine weiße und rote Garde habe stattgefunden. Uns auf dem Land hatte man vergessen zu
benachrichtigen. Bei der nächsten Stadtfahrt bat ich meinen
Bauern, mich einmal mit zu nehmen. In der Stadt traf ich etliche deutsche Kameraden.
Sie trugen russische Uniformen und erzählten mir, sie hätten sich
verdingt bei den weißen Gardisten. An eine Heimfahrt sei nicht zu denken.
Es wäre einfach kein durchkommen an den Grenzen. Außerdem würde
man einfach zu den weißen oder roten Gardisten gesteckt. Zurück ins Dorf wollte ich aber nicht mehr. Es
lag das Heimweh so tief im Herzen. Immer dachte ich nur einen Gedanken, ich
will heim. Kurz entschlossen setzte ich mich in einen Waggon,
von einem langen Güterzug. Dieser stand schon 14 Tage in der Station. Da geschah das große Wunder. In den
nächsten Tagen sollte er abfahren. Die Richtung des Zuges war mir nicht bekannt. aber
ich fuhr. Nach 8 Tagen stieg ich in Wohlinien aus. Erstaunt war ich, so viele
deutsche Soldaten zu sehen. In verschlissener Uniform warteten sie auf den Zug,
der Richtung Wien fuhr. Langsam kam der Augenblick, wo es wirklich weiter ging.
Weiter der Heimat zu. Dann endlich nach langem warten und zagen, stieg ich
an einem schönen Juniabend, in Hallein aus. Auf dem Weg nach Haus klopfte mir das Herz bis zum
Hals hinauf. Wer war von meinen Lieben noch da? Nun war ich heim ! Aber es konnte mich nur noch das
Mädchen begrüßen, das ich liebte und die all die Jahre gewartet
hatte. Meine Mutter lebte nicht mehr. Die Wohnung war
versperrt, meines Bruders Namen war auf der Heldentafel verewigt. Auch meine
Schwestern waren durch den Krieg zu Witwen geworden und wohnten drüben in
Berchtesgaden In aller Stille ließ ich mich vier Wochen nach meiner
Heimkehr trauen und bezog mit meiner Frau, die leere Wohnung meiner Eltern. Meine Arbeit in der Saline als Maurer nahm ich
wieder auf und des Sonntags spazierte ich oft über St. Magareten, nach
Vigaun. Hier in der Taugl, bei dem wilden Gebirgsbach, voll romantischer
Schluchten und Wasserstürzen, fühlte ich mich daheim. Über die grünen Felsen rauschte das Wasser
und im Gezweig am Ufer, zwitscherten die Singvögel und Eichkätzchen
huschten über die Brücke. Da stieg mir in Gedanken meine Kindheit wieder auf
und ich sah mich hineinreiten zum Häuschen am Bach. |